Sprachbildung fundiert entwickeln, für die Bedarfe der Kinder sensibilisieren und qualifizieren


„Mit vollem Mund spricht man nicht!?“ Von wegen. In der KiTa „Don Bosco“ der Stadt Düren wird beim Frühstücken viel geredet. Jede noch so kleine Unterhaltung fördert die Sprachentwicklung, ist KiTa-Leiter Guido Frings überzeugt. Und ermuntert seine Erzieherinnen und Erzieher mit den Kindern zu sprechen bei Vollkornbrot und Kakao. Es ist eine der vielen Erkenntnisse, die Frings aus der Fortbildungsreihe „Sprachliche Entwicklung im Elementarbereich“ mitgenommen hat; so wie mittlerweile rund 170 Erzieherinnen und Erzieher im Kreis Düren. Das habe die Atmosphäre und die Qualität der Erziehung in den KiTas verändert, sagt Jürgen Fischer, Leiter des Kommunalen Integrationszentrum (KI) im Kreis Düren.

2011 wurde die Fortbildungsreihe thematisch entwickelt und erstmals durchgeführt. „In enger Kooperation und Absprache zwischen der damaligen RAA, dem Amt für Demografie, Kinder, Jugend, Familie und Senioren des Kreises Kreis Düren und dem vom Amt für Kinder, Jugendliche und Familien der Stadt Düren“, wie Fischer betont. Der Beginn eines Erfolgsmodells: Aktuell findet bereits der elfte Durchlauf statt.
Die Reihe besteht aus sieben Modulen, die aufeinander aufbauen. Es sind Tagesseminare, durchgeführt von Fachleuten aus der Praxis. So geht Referent Mathias Kasch bereits im ersten Modul „Sprachliche Bildung von Anfang an“ explizit auf die begleitende Sprachentwicklung mit den Bildungsgrundsätzen NRW und den Auftrag der alltagsintegrierten Sprachentwicklung und Beobachtung in den Kindertagesstätten ein.
Beispiel Fortbildungsmodul 2: „Störungen der Sprache und des Sprechens erkennen und vorbeugen“. Hier erfahren die Teilnehmenden von den Referentinnen Ursula Pelzer und Silke Nielinger-Glitscher, wie man Störungen erkennt und was dann weiter getan werden sollte, sowohl im KiTa-Alltag als auch in der Zusammenarbeit mit den Eltern.
Neue Netzwerke durch die Seminare
Ursula Pelzer und Silke Nielinger-Glitscher sind Dipl.-Sprachheilpädagoginnen am sozialpädiatrischen Zentrum des St. Marien Hospitals Düren. Kein Zufall. Für die Fortbildungsreihe werden nach Möglichkeit Fachleute aus der Region einbezogen (u.a. der Schulpsychologische Dienst), um das fachliche Netzwerk zu stärken und den Erzieherinnen und Erzieher persönliche Kontakte zu wichtigen Institutionen zu eröffnen.

Wovon auch Gebrauch gemacht wird. Das kann „Don Bosco“-Leiter Guido Frings bestätigen. „Es fällt leicht, beim Sozialpädiatrischen Zentrum anzurufen, wenn man bei der Fortbildung jemanden von dort kennengelernt hat“. Ein weiteres „Netzwerk“ ist ihm genauso wichtig: Der Austausch zwischen den KiTas untereinander – unabhängig vom Träger. Der Kontakt durch die Seminarreihe hat auch hier auf informelle Art die Türen geöffnet.
Auch Gertrud Wirth, die Leiterin zweier KiTas in Langerwehe, bestätigt den Seminaren, sie seien „wertvoll und praxisorientiert.“ Sie legt Wert darauf, dass aus jeder Betreuungsgruppe mindestens eine Erzieherin oder Erzieher die Fortbildung besucht. „Manche Dinge werden in der Erstausbildung nicht gelehrt“, sagt Wirth.
Für das Thema "Trauma bei Kindern" sensibilisieren
Ein anderes Beispiel: Das Fortbildungsmodul "Trauma-Kinder". Für die Dipl.-Sozialpädagogin Antje Bruckschen, KI Mitarbeiterin und Organisatorin der Fortbildungsreihe, geht es in diesem Modul darum, den pädagogischen Fachkräften Grundlageninformationen zum Thema "Trauma" zu vermitteln und sie für die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bei Kindern zu sensibilisieren. Auch erfahren sie, wie sie die Kinder u. a. durch eine stabilisierende und korrigierende Beziehungserfahrung in der KiTa stärken können.
„Für die Gestaltung der korrigierenden Beziehungserfahrung ist es hilfreich, ein Verständnis des kindlichen Verhaltens auf dem Hintergrund seiner Entwicklungsgeschichte zu entwickeln“, so die Referentin und Traumafachberaterin Hildegard Licher. „Daraus lassen sich die für eine "sichere Beziehung" und einen "sicheren Ort" notwendigen Rahmenbedingungen für den KiTa Alltag ableiten“, weiß die Diplom-Psychologin.

Gertrud Wirth hatte eine solchen Fall im vergangenen Jahr: ein fünfjähriger Junge aus einem Krisengebiet– verschüchtert und motorisch auffällig. Mit viel Geduld und einem Netzwerk von Therapeutinnen gelang es ihrem Team, mit der Situation umzugehen. „Wir konnten das Kind und seine Mutter beruhigen, dass sie nicht einfach aus der KiTa heraus abgeschoben werden können, was ihre größte Angst war.“ Und auch den deutschen Kindern konnte Gertrud Wirth erklären, warum der Junge „anders“ ist. „Für solche Fälle braucht man Hintergrundkenntnisse“, sagt die erfahrene Erzieherin, und genau die liefere die Fortbildungsreihe.
60 Prozent der Kitas erreicht – Tendenz: steigend!
Aus 60 Prozent der KiTas im Kreis Düren nahmen bisher bereits Beschäftigte an der Fortbildungsreihe teil bzw. wurden Kollegen schon für die nächste Reihe angemeldet. Aus den 60 Kindertageseinrichtungen mit einem hohen Anteil von Kindern nicht-deutscher Familiensprache waren sogar über 70 % mit mindestens einer Kollegin oder einem Kollegen in der Fortbildungsreihe dabei. Diese Quote will Antje Bruckschen noch verbessern. Auch wenn sich die Jugendämter von Kreis und Stadt mittlerweile aufgrund von personellen und zeitlichen Engpässen nicht mehr so aktiv einbringen können, so beteiligen sie sich finanziell. Der Beitrag für die Teilnehmer der kreisangehörigen KiTas werden aktuell aus einem speziellen Fortbildungsbudget des Amtes für Demographie, Kinder, Jugend, Familien und Senioren des Kreises Düren beglichen, in welches diese KiTas zuvor eingezahlt haben. Teilnehmende anderer Tageseinrichtungsträger zahlen diese aus ihrem eigenen Fortbildungsbudget.
Auch zu den übrigen KiTas bestehen gute Kontakte, berichtet Antje Bruckschen, u.a. im Rahmen von entsprechenden Arbeitskreisen. Darin werden die Teilnehmenden durch Fachvorträge externer und interner Experten z. B. zu den Themen "Sprachliche Bildung", "Mehrsprachigkeit", "Zusammenarbeit mit Eltern von Kindern mit Migrations- und ggf. Fluchthintergrund", "Rechtliche Hintergründe von geflüchteten Kindern" etc. unterstützt. In Beratungsgesprächen mit dem KI erhalten die KiTas weitere Informationen und Unterstützung. Zudem werden in den Arbeitskreisen und in Reflexionstreffen zur Fortbildungsreihe die thematischen Anregungen der KiTas aufgegriffen und zur Weiterentwicklung der Fortbildungsreihe und für die Planung ergänzender Angebote genutzt.
Kooperation mit Jugendämtern beispielhaft
Die Fortbildungsreihe ist nicht das einzige Beispiel für die im Kreis Düren beispielhafte enge Kooperation zwischen den Jugendämtern und dem KI für Erzieherinnen und Erzieher im Bereich der Kindertageseinrichtungen. Weitere Beispiele sind die Arbeitskreise "Sprachliche Bildung im Elementarbereich" und "Vielfarbigkeit der Elementarpädagogik", die gemeinsam entwickelt wurden und weiterhin vom KI umgesetzt werden.
Auch darüber hinaus ist das KI gut vernetzt – u.a. mit der Arbeitsgemeinschaft "Kindertageseinrichtungen und Tagespflege" des Amtes für Demografie, Kinder, Jugend, Familie und Senioren im Kreis Düren. Weiterhin mit der Arbeitsgemeinschaft "Kindertagesbetreuung gem. §§ 78/80 SGB VIII" Amt für Kinder, Jugendliche und Familien der Stadt Düren, dem Netzwerk Frühe Hilfen und dem Präventionsteam. Auch unterstützt das KI die Arbeit der genannten Ämter durch das Angebot des ehrenamtlichen Dolmetscherdienstes.
Ansprechpartner für weitere Informationen sind:
Jürgen Fischer und Antje Bruckschen, KI Kreis Düren
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Bildnachweis
Foto 1 und 3: KI Kreis Düren
Foto 2: (c) Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW | H. Severin