Gelsenkirchen ist Region der Mehrsprachigkeit


Die Förderung der Mehrsprachigkeit von Flüchtlingskindern: In Fachkreisen wird sie eindringlich gefordert; in Gelsenkirchen wird sie gefördert und ist jetzt fester Bestandteil der Integrationsarbeit.
Nach einer erfolgreichen Pilotphase steht nun fest: Das Projekt „Sprache ohne Grenzen“ wird 2018 fortgesetzt. „Eine sehr gute Nachricht“, sagt Martina Köhler vom Paritätischen in der Revierstadt. „Bei diesem Projekt sind alle Beteiligten wirkliche Gewinner. “ Die Maßnahme war im Juni 2017 als Gemeinschaftsprojekt des Referats 47/Kommunales Integrationszentrum (KI) und dem Pari Sozial Emscher-Lippe in Gelsenkirchen initiiert worden.

Schon bei der stimmungsvollen Abschlussfeier in der Geschäftsstelle des Paritätischen kurz vor Weihnachten äußerten alle Beteiligten - Kinder, syrische Lehrkräfte und Kooperationsschulen - welche Vorteile die Initiative für die Integration von Geflüchteten mit sich bringt. „Ohne fundierte Kenntnisse in der Muttersprache werden sich die Kinder mit dem Lernen anderer Sprachen - auch dem Deutschen - schwer tun“, sagt Martina Köhler.
Die geflüchteten Lehrkräfte aus Syrien gaben den Anstoß zur Projektidee. Von ihnen leben viele in Gelsenkirchen. „Es war ihr Wunsch, im Rahmen der Selbstorganisation „Hand in Hand für Integration“ sich ehrenamtlich zu betätigen und ihre Lehr- und Methodenkompetenz einbringen und erweitern zu können“, berichtet Ghada Muhsin vom KI Gelsenkirchen. Es folgten viele Gespräche und Überlegungen hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten und eine erste Abfrage nach der Qualifikation, Berufspraxis usw. Dabei stellte sich heraus, dass ein Großteil der syrischen Lehrkräfte in ihrer Heimat für das Fach Arabisch tätig gewesen war.
Starkes Interesse der Eltern an Arabisch-Unterricht
Zur gleichen Zeit äußerten beim Paritätischen immer wieder Eltern in Gesprächen gegenüber einem aus dem Irak stammenden Mitarbeiter, dass ihre Kinder zwar arabisch sprechen, aber teilweise nicht lesen und schreiben können. Die Schulen in Gelsenkirchen bieten keinen herkunftssprachlichen Unterricht in Arabisch an. Zwar halten einige Moscheevereine einen solchen Unterricht bereit, aber die Eltern wünschten sich ein weltanschaulich neutrales Angebot. „Damit war die Idee zum außerschulischen Förderunterricht in Arabisch geboren“, so Ghada Muhsin. Der Einsatz der Lehrkräfte konnte April 2017 in die konkrete Planung und Umsetzung übergehen. Das ehemalige Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) NRW sagte zu, das Projekt im Rahmen der „Regionen der Mehrsprachigkeit“ zu fördern.

Nach einer Elterninfoveranstaltung und Sprachstanderhebungen wurden die Kinder im Alter von 6 bis 15 Jahren in sechs Lernstufen eingeteilt. Die Fördergruppen wurden gebildet, und dann konnte es endlich losgehen. Seitdem verwandelt sich der große Gruppenraum im Obergeschoß des Paritätischen jeden Samstag in ein buntes Klassenzimmer. Jeweils zwei Unterrichtsstunden erhält dann jede Gruppe in der Herkunftssprache Arabisch. Das Lehrmaterial liefert eine spezialisierte Buchhandlung in Duisburg.
Lehrer-Hospitationen in Gelsenkirchener Schulen
Die syrischen Familien haben hier ein neues Zuhause gefunden. Sie erfahren über das Projekt und darüber hinaus enorme Wertschätzung. „Obwohl hier so viele Menschen täglich ein- und ausgehen und immer etwas los ist, hat es noch nie ein ernsthaftes Problem gegeben“, betont Martina Köhler immer wieder. Sie sieht die Potenziale der Menschen, versucht sie zu fördern und zu bestärken. Tatkräftige Unterstützung erhält sie durch einen ehrenamtlich Tätigen, der selbst vor mehr als 20 Jahren mit seiner Familie aus dem Irak geflohen ist und in Gelsenkirchen eine Heimat gefunden hat.
Er ist es auch, der als Bindeglied das Team aus 22 syrischen Lehrern koordiniert. Zur Vorbereitung besuchten sie zunächst eine Weiterbildung in Münster und absolvierten parallel Hospitationen in Gelsenkirchener Grund- und Hauptschulen. Davon profitierten auch die deutschen Kollegien. Sie erfuhren auf diese Weise aus erster Hand, wie z.B. das Schulsystem in Syrien funktioniert. „Das erleichtert auf lange Sicht den Zugang zu den Eltern syrischer Kinder“, ist Ghada Muhsin überzeugt.
Weitere Lernorte in den Stadtteilen geplant
In der Pilotphase von „Sprache ohne Grenzen“ (bis Dezember 2017) konnten 100 Kinder an dem Förderangebot teilnehmen. Allen Beteiligten war aber bewusst: Die Nachfrage ist größer. Der „Schneeball-Effekt“ wirkte. „Immer mehr Eltern erfuhren von der Maßnahme und äußerten den Wunsch, ihre Kinder zum Förderangebot anmelden zu dürfen“, so Ghada Muhsin. Die aktuelle Warteliste hat die Namen von weiteren 100 Kindern.

Nach der Förderzusage aus Düsseldorf geht Martina Köhler vom Paritätischen in die nächste Planungsphase. Ihre Idee: „Wir suchen zwei bis drei weitere Standorte für die Muttersprachkurse in den Quartieren, in denen die geflüchteten Menschen vorwiegend wohnen.“
Ansprechpartnerin für weitere Informationen ist:
Ghada Muhsin, KI Gelsenkirchen
Weitere Beiträge KI lokal
Bildnachweis
Fotos: Deyaa Shekhyosuf, Migrantenselbstorganisation Hand in Hand für Integration, Mediengruppe, Gelsenkirchen